Folgende Zuschrift ist mir kürzlich zugegangen:

Lieber…. ,

ich lese gerade das neue Buch von Maja Göpel “Unsere Welt neu denken” und auch durch das neue Studium drängen sich immer unübersehbarer die Folgen des menschlichen Handelns und Wirtschaftens für die Erde in den Vordergrund.  Dieser digitale Brief soll eine kleine Einladung sein, unseren Konsum zu hinterfragen. Ohne zu verurteilen, einfach zu reflektieren und in unserem eigenen Mikrokosmos damit anzufangen, bevor wir uns den weiteren Ebenen widmen.

Mich beschäftigt die Frage, was ein faires Maß an Konsum für mich persönlich ist und woran ich das messen kann. Warum ich mir diese Frage gestellt habe?

Im Pariser Klimaabkommen 2015 haben sich fast alle Staaten der Weltgemeinschaft dazu verpflichtet, die Erhöhung der mittleren globalen Oberflächentemperatur auf deutlich unter 2 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Schaffen wir es, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, könnte es möglich sein, das Überschreiten der Kipppunkte zu vermeiden und damit verbundene positive Rückkopplungseffekte zu verhindern. Das bedeutet, die Klimaveränderungen wären weniger drastisch und damit verbundene Kosten für die Anpassungen an die neuen Umweltbedingungen weniger hoch. (An dieser Stelle seien nur die wirtschaftlichen Aspekte genannt, was die Konsequenzen für Millionen von Menschen, Ökosystemen und Artenvielfalt sind, ist weiterhin drastisch.)

Aber nun zu einem fairen Anteil:

Bis die globale Erwärmung um 1,5 Grad erreicht ist, können noch 420Gt CO2 ausgestoßen werden (MCC 2017). Wenn wir das jetzt durch die Zahl der Gesamtbevölkerung teilen, kommen wir auf ca. 52 t CO2 als Budget für einen Menschen in seinem ganzen Leben. Wenn jeder Mensch in seinem Leben 52 t CO2 emittiert, kommen wir bei der Erwärmung von 1,5 Grad an. Dann müssten  die gesamten CO2 Emissionen auf null gesetzt werden, die menschliche Welt müsste den Strom abstellen oder bis dahin sich komplett klimaneutral organisiert haben. Das ist natürlich eine grobe Überschlagung und Reduzierung von Verbrauch oder Möglichkeiten zur Verringerung des CO2 Gehalts in der Atmosphäre sind nicht kalkuliert.

Zu den bisherigen Versuchen, den CO2 Gehalt in der Atmosphäre zu verringern, bzw. erst einmal zu bremsen:

Das Mauna-Loa-Observatorium auf Hawaii misst seit 1958 den Anteil von Kohlendioxid in der Erdatmosphäre. Die Kurve der Messwerte, die kontinuierlich seit Beginn an aufgenommen wurden, steigt fast kontinuierlich. Es gibt nur drei Ausnahmen: Mitte der Siebziger, Anfang der Neunziger und nach 2008 flachte die Kurve leicht ab. Warum gerade dort?                                                                              Mitte der Siebziger gab es die Ölkrise, Anfang der Neunziger ist die Sowjetunion zusammengebrochen und 2008 gab es die Finanzkrise. Was sie ökonomisch gemein haben?

 (Göpel 2020, S.75 f.)

“Es wird weniger produziert, weniger transportiert, weniger konsumiert und damit auch weniger Kohlendioxid ausgestoßen.” (Göpel 2020, S.76)

Einfach zusammengefasst: “Schrumpft die Wirtschaft, verlangsamt sich der Klimawandel. Wächst die Wirtschaft, beschleunigt er sich.”(Göpel 2020, S.76) -Wirtschaftswachstum in seiner heutigen Form heißt Klimawandel.

Jetzt das Fatale daran: Die bisherigen Kohlendioxid-Einsparungserfolge  in ihrer ganzen Summe waren noch nicht ausreichend, um diese Kurve im Gesamtbild zu verändern.

Zurück zu den 52 t CO2 pro Person: In Deutschland liegt der durchschnittliche Verbrauch bei 10,8 t CO2 pro Kopf pro Jahr (Ritchie 2017). Sprich, wenn alle Menschen auf der Welt so leben würden, wie wir es in Deutschland tun, wären wir in 5 Jahren (2017+5) bei dieser Erwärmung um 1,5 Grad. Da das aber natürlich nicht so ist, haben wir ab heute noch knappe 7 Jahre. Jetzt aktuell sind es noch 292 Gt CO2 Budget [36,5 t pro Person(MCC 2021)]!

Was wir damit jetzt anfangen?

Noch einmal zurück zur Wirtschaft und den Verringerungen des Ausstoßes von CO2 :

“Unternehmen müssen Neues produzieren, Verbraucher*innen Neues konsumieren und Ingenieur*innen Neues entwickeln, das mithilfe von Werbung in den Markt gedrückt wird, während Banken Kredite ausgeben und Politiker*innen sogenannte Rahmenbedingungen schaffen müssen, was in Wahrheit heißt, dass sie alles unterlassen, was das Wachstum dessen gefährden könnte, wofür Geld ausgegeben wird. Denn scheinbar kann nur Wachstum Arbeitsplätze, Investitionen und Steuereinnahmen sichern. Jede*r muss demzufolge zum Wachstum beitragen, genau wie alle darauf angewiesen sind, dass alle dasselbe tun.” (Göpel 2020, S. 82)

Nur begrenzt werden darf es nicht. Dass es einen Sättigungsgrad gibt, ab dem die Lebensqualität und Zufriedenheit nicht mehr steigt, wird ignoriert. Die Frage, ob wir jemals ein „genug“ erreichen, ist nicht vorgesehen. (Göpel 2020)

Die daraus gefolgerte Konsequenz für mich ist, dass ich, wo immer es vermeidbar ist, Konsum und damit Verbrauch einsparen muss.

Ich kann es für mich nicht mehr verantworten, Fleisch oder Milchprodukte zu verzehren. Ich kann es mir nicht leisten, Bananen, Avocados und getrocknete Pflaumen aus Kalifornien zu kaufen. Das ist nichts, wofür ich es mit meinem Gewissen vereinbaren kann, Geld ausgegeben zu haben und den Vertrieb dieses Produktes gefördert zu haben. Bevor ich die Heizung aufdrehe, muss ich mich fragen, ob ich mir nicht lieber noch ein paar Socken und einen Pullover anziehen kann. Ein neues Kleidungsstück ist vielleicht weiter gereist in seinem kurzen Leben als ich. Das alles ist für mich nicht dramatisch und sicherlich gibt es noch andere Möglichkeiten, sich neu zu arrangieren und einzurichten im Alltag. Was ich anstoßen möchte, ist, weiterhin alles einmal auf den Prüfstand zu stellen und zu hinterfragen, warum wir dies oder jenes tun, kaufen oder anders: konsumieren.

Ich finde diese Zahlen und Zusammenhänge manchmal sehr beängstigend, da sie kompromisslos im Raum stehen und an den Fakten nichts zu relativieren oder schön zu reden ist. Andererseits steht auch fest, dass die Natur uns Menschheit kein Stück braucht. Aber wir brauchen sie.

Im Laufe der Erdgeschichte hat sich vielfach gezeigt, dass sich in geologischen Zeiträumen nach einem Massenartensterben, hervorgerufen durch verschiedenste sich ändernde Umwelteinflüsse, die Flora und Fauna in verschiedenster Weise wieder neu entwickeln konnten.

Wie ein Werbespruch zusammengefasst sehr bezeichnend dafür lautet: “Save the planet! It´s the only one with beer.” Den Kampf, den die Menschheit führt, um die Umwelt zu schützen, führt sie, weil unsere Existenz auf dem Spiel steht. Auch ist es natürlich schade um die Koalas, Eisbären und Wildbienen, aber die einzige Motivation, die Menschen dazu bringen könnte, zu verstehen, was auf dem Spiel steht, ist der Grund, dass die Menschheit nicht mehr allzu lange durchhalten wird, wenn die Kipppunkte überschritten sind und die positiven Rückkopplungseffekte ihre volle Wirkungskraft entfalten.

Ich wünsche mir, dass wir darüber reden und Ideen austauschen, was wir machen wollen und können. Dass wir uns erzählen, wie wir uns fühlen, zuhören und klären, was vielleicht unklar ist. Es ist nicht meine Absicht, jemanden zur Rechtfertigung aufzufordern. So wie sich Mama und Papa um unsere Existenz sorgen, ist es inzwischen auch an mir, für eine Lebensgrundlage aller Kinder unserer Familie zu geben, was ich kann und nur so viel zu verbrauchen, dass am Ende etwas für nachfolgende Generationen und die Natur bleibt.

 Natürlich wird in Hawaii nicht messbar sein, wenn ich meine Heizung nicht anschalte, aber vielleicht wird es das, wenn ganz viele Menschen es tun. Und obendrein kann ich sagen, ich habe alles dafür getan, mir nicht mehr zu nehmen, als mir und meinem Leben zusteht. Das bedeutet, ich habe nicht mehr zum Nachteil anderer verbraucht. Was wir hier tun, hat Auswirkungen auch auf die andere Seite der Erde, die wir nicht immer sehen können. Darüber sollten wir uns im Klaren sein.

Es bleibt als Anregung zum Nachdenken für zukünftige Entscheidungen als erstes, was wir vermeiden können, um nicht den Schlachtruf nach Verzicht anzuführen. Ist etwas nicht zu vermeiden, ist die Frage, wie können wir es ausgleichen und wenn es nicht vollständig ausgleichbar ist, können wir es anders kompensieren?

Lasst Euch Zeit und lasst es sacken, ich bin gespannt, was Ihr dazu sagt. Die Informationen dazu stammen größtenteils aus dem besagten Buch von Maja Göpel.

Liebe Grüße aus dem stillen Kämmerlein

Quellen:

 Göpel, Maja (2020): Unsere Welt neu denken. Eine Einladung. 12. Auflage. Berlin: Ullstein Buchverlag GmbH

Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC): Verbleibendes CO2-Budget – (mcc-berlin.net) [zuletzt abgerufen am 18.01.2021]

Ritchie, Hanna (2019): Our World in Data – (How do CO2 emissions compare when we adjust for trade? – Our World in Data) [zuletzt abgerufen am 23.01.2021]